Diabetisches Fußsyndrom
Diabetes als neue Volkskrankheit
Als Diabetes mellitus wird eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen bezeichnet, deren landläufige Bezeichnung als “Zuckerkrankheit” von ihrem offensichtlichsten Merkmal, dem Ausscheiden von Zucker durch den Urin, herrührt. Medizinisch gesehen besteht der wesentliche Befund in einer Überzuckerung des Blutes (Hyperglykämie). Ursache dafür ist entweder ein Insulinmangel oder eine Insulinunempfindlichkeit. Damit verbunden sind pathologische Veränderungen in bestimmten Zellen der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren und für die Steuerung des Glukosestoffwechsels verantwortlich sind.
In Folge der Entgleisung dieser wichtigen Stoffwechselmechanismen kann keine Glukose mehr in die Zellen aufgenommen werden, sondern die Glukose verbleibt im Blut und die Traubenzuckerneubildung in der Leber (die ebenfalls durch Insulin gesteuert wird) verläuft ungebremst, was beides zu besagtem Blutzuckeranstieg führt.
Als Auslöser werden beim Typ-I-Diabetes vor allem genetische Faktoren und Autoimmunprozesse verantwortlich gemacht, während beim Typ-II-Diabetes vor allem ein ungesunder Lebensstil, falsche Ernährung, mangelnde Bewegung und Fettleibigkeit diskutiert werden.
Der Diabetes mellitus hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Volkskrankheit entwickelt. Insbesondere in der „Wohlstandsgesellschaft“ ist diese Erkrankung rasant im Vormarsch. Während man in Deutschland 1960 noch einen Anteil von 0,6% Diabetikern an der Gesamtbevölkerung ermittelte, liegt eine aktuelle Hochrechnung für das Jahr 2004 schon bei 7,6%.
Folgeerkrankungen
Je nachdem wie gut der Stoffwechsel des Diabetes-Patienten eingestellt ist, kann es im weiteren Verlauf zu bestimmten Begleit- und Folgeerkrankungen kommen:
- Bluthochdruck
- Schädigung der Netzhaut (Retinopathie)
- Nierenschädigungen (Nephropathie)
- Herzinfarkt
- arterielle Verschlußkrankheit
- periphere Nervenschädigung (Polyneuropathie)
- Schädigung von großen und kleinen Blutgefäßen
- diabetisches Fußsyndrom
Der diabetische Fuß
Aus der oft mit dem Diabetes einhergehenden Polyneuropathie resultiert eine gewisse Schmerzunempfindlichkeit an den betroffenen Extremitäten. Wunden, Verletzungen, Überlastungen, Fehlstellungen z.B. des Fußes werden deswegen oft nicht bemerkt oder verursachen nur wenig oder gar keine Beschwerden. Dies kann soweit gehen, daß sogar Knochenbrüche als nicht schmerzhaft empfunden werden.
Doch selbst geringfügige Verletzungen (z.B. durch Anstoßen mit der Fußspitze oder Reibung in zu engen Schuhen) können in Verbindung mit den für Diabetes typischen Durchblutungsstörungen nicht zu unterschätzende Auswirkungen haben. Denn die zu geringe Durchblutung des Areals führt nicht selten zu Wundheilungsstörungen und die Wunde heilt demzufolge nicht spontan ab. Oft wird aufgrund der Unempfindlichkeit die nun chronisch gewordene Wunde nicht bemerkt und nichts unternommen, was zu einer weiteren Verschlimmerung führt. Aus der anfangs nur oberflächlichen und banalen Wunde kann auf diese Weise schnell ein Ulcus werden, das sich mehr und mehr ins Gewebe frißt. Lochförmige Ulzerationen wachsen immer tiefer in das betroffene Körperteil hinein – ein idealer Ort für multiresistente Keime, die eine normale Wundheilung verhindern und extrem widerstandsfähig selbst gegen Antibiotika sind.
Wird ein solches Geschwür am Fuß dauerhaft nicht behandelt, besteht die Gefahr einer Blutvergiftung (Sepsis) und die letztmögliche Rettung besteht dann nur noch in der Amputation. Die Tatsache, daß allein in Deutschland jährlich ca. 30000 Zehen- und Fußamputationen in Folge eines diabetischen Fußsyndroms durchgeführt werden, zeigt die Bedeutung dieses Problems.
Therapie
Je nach Stadium und Schwere der Erkrankung müssen die Wunden fachgerecht versorgt werden. In schwereren Fällen werden spezielle Verbände angelegt und strenge Ruhe ist angezeigt. Die Wundbehandlung kann sich bei Wundheilungsstörungen über einen längeren Zeitraum hinziehen. Die Gabe von Antibiotika (teilweise als Langzeittherapie) soll Hautinfektionen entgegenwirken. Gleichzeitig darf der Diabetes nicht aus den Augen verloren werden, eine optimale Einstellung des Patienten kann auch zu einer Verbesserung des Fußsyndroms führen.Bei fortgeschrittenen, meist infizierten Geschwüren muß die Wunde auch chirurgisch saniert werden. Dabei werden gleiche oder ähnliche Techniken angewandt wie beim Ulcus cruris.
Wundreinigung
- Sanierung der Wundumgebung (Wundränder, Hornhaut)
- Entfernung von totem Gewebe
- Entfernung von freiliegenden oder infizierten Knochenteilen
- Hauttransplantation zur Abdeckung und Ausheilung der Wunde
Ein diabetisches Fußsyndrom mit fortgeschrittener Infektion ist als Notfall zu behandeln. Die fachgerechte Amputation des betroffenen Körperteils bleibt dann oft als einzige Möglichkeit, das Krankheitsgeschehen noch in den Griff zu bekommen. Dies ist zwar sehr bedauerlich, muß aber letztendlich als eine lebensrettende Maßnahme angesehen werden.